Geblasenes Glas  zu Weihnachten

Mundgeblasene Christbaumkugeln sind nur eine von  Claude Merklis Spezialitäten. Der Lausanner Glasbläser hält  ein altes Handwerk am Leben.

Die Jahreszeiten verschieben sich im Atelier von Claude Merkli – wie bei vielen Unternehmen, deren Produkte an Weihnachten oder Ostern besonders gefragt sind. Christbaumschmuck macht er im Hochsommer – draussen ist es 32 Grad heiss, und er bringt mit dem Gasbrenner Glas zum Glühen.

Formbar bei 1300 Grad

Claude Merkli hat sein Atelier seit 37 Jahren im Untergeschoss des Hauses seiner Grosseltern in Echandens bei Lausanne. Gelernt hat er sein Handwerk bei seinem Vater, der Apparateglasbläser war. Er stellte nach genauen Plänen Geräte für Apotheken und vor allem Chemiebetriebe und ihre Entwicklungsabteilungen her. Die grossen Pharmafirmen beschäftigen deshalb noch immer eigene Glasbläser. Doch Claude Merkli ist Kunsthandwerker. Er verkauft seine Werke direkt aus der Werkstätte, erhält aber neben den Christbaumkugeln für die Regio Energie Solothurn auch Aufträge von der Glasi Hergiswil. Sein Rohmaterial sind lange Röhren aus hitzebeständigem Borosilikatglas.

 An der Gasflamme erwärmt er es auf 1300 Grad, bis es buchstäblich Fäden zieht – das Glas wird form- und gestaltbar in den  Händen von Claude Merkli. Er macht kunstvolle  Flaschen mit integrierten Figuren, «Shot»-Schnapsgläser mit einer Gewehrkugel, weil man im Wilden  Westen den Schnaps auch mit Patronen bezahlen  konnte, und vieles mehr. Das alles ist viel schwieriger,  als es aussieht. Zu spüren bekommen das dann jene Gäste, die im Rahmen von regionalen Weindegustationen zu ihm kommen, um ihr eigenes Weinglas zu blasen. «Ich helfe dann jeweils nach, damit es zumindest einigermassen steht», schmunzelt er. 

Vorsichtig-gezieltes Hauchen

Für die Christbaumkugeln, welche die Regio Energie jedes Jahr zum Advent verschenkt, formt er erst eine kleine glühende Birne, die an einem dünnen Glasröhrchen hängt. Weil Glas ein schlechter Wärmeleiter ist, kann Claude Merkli das Röhrchen problemlos mit Hand und Lippen berühren. Beim eigentlichen Prozess des Glasblasens geht es dann nicht um rohe Lungenkraft – eher schon um vorsichtig-gezieltes Hauchen. Denn in der heissen, luftdicht abgeschlossenen Kugel expandiert die Luft so stark, dass sich die Kugel fast von selbst vergrössert. Nach dem Formen wandern die Kugeln in einen Ofen, der ihnen die inneren Spannungen nimmt. 

Denn diese könnten dazu führen, dass die Kugeln spontan am Christbaum zerspringen. Brillen mit Polarisationsfilter machen diese Spannungen sichtbar. Claude Merkli in seiner Werkstätte mit einer geblasenen Kugel und seinen Werkzeugen: Das Messing-Matterhorn drückt er in den Boden von Trinkgläsern. An der Gasflamme bringt er die Verzierungen auf und lässt die fertige Christbaumkugel erkalten. Claude Merkli arbeitet mit der Routine des erfahrenen Handwerkers: gezielte, unterschiedliche Bewegungen mit beiden Händen, gleichzeitig wie ein Pianist – die Glastropfen zur Verzierung und das feine Häkchen für die Schnur zum Aufhängen der Kugel. Zur richtigen Zeit in der richtigen Jahreszeit.

Text: Andreas Schwander
Fotos: Conrad von Schubert