Gesucht: Netzelektriker, gefunden: Koch und Detailhandelsfachmann

Die Regio Energie Solothurn macht gute Erfahrungen mit lernenden Quereinsteigern.

An das Stelleninserat der Regio Energie Solothurn dürften sich die Leserinnen und Leser der grösseren Regionalzeitungen bereits gewöhnt haben: «Gesucht: Netzelektriker». Da hätte auch ruhig stehen können «Verzweifelt gesucht: Netzelektriker». Denn jeder Stromnetzbetreiber sucht gegenwärtig händeringend nach solchen Spezialisten. Die Abkehr von grossen, zentralen Erzeugern hin zu kleinen, lokalen Produktionsanlagen verlagert den Stromverkehr vom Übertragungsnetz stärker in die lokalen Verteilnetze. Diese müssen unterhalten und aufgrund der Energiewende aus- oder umgebaut werden. Das braucht Fachleute wie Netzelektrikerinnen und Netzelektriker.


Niemand meldet sich

«Wir hatten das Inserat wochenlang in allen Lokalmedien und auf allen gängigen Stellenportalen», erzählt Daniel Galli, Leiter Netze Strom bei der Regio Energie Solothurn. «Es war zum Verzweifeln.» Denn offensichtlich haben alle Netzelektriker Jobs, und auch andere Netzbetreiber empfangen sie nicht nur mit offenen Armen, sondern gleich mit ausgerolltem rotem Teppich. Also änderte Daniel Galli in der Not das Inserat in «Gesucht: Netzelektriker Lehrlinge, auch Quereinsteiger sind willkommen».

Und siehe da, es meldeten sich gleich 15 Interessentinnen und Interessenten, aus denen er nach ein paar Schnuppertagen und Gesprächen zwei Personen auswählen konnte. Die beiden absolvieren nun zusammen mit einem 15-jährigen Schulabgänger die dreijährige Lehre als Netzelektriker EFZ ab dem ersten Lehrjahr. Dominik Hasler gefällt die Ausbildung. Er ist 34 Jahre alt, war ursprünglich Koch in Restaurants und Altersheimen und hat dann in die Logistikbranche gewechselt. Dort hätte er sich gerne weitergebildet, doch sein Wunsch wurde nicht richtig wahrgenommen. Also bewarb er sich auf jenes Quereinsteiger-Inserat.

Faire Bedingungen für einen Familienvater

Auch der 15-jährige Jan Urbanyik entschied sich nach einer zweiwöchigen Schnupperlehre für den Berufseinstieg als Netzelektriker bei der Regio Energie Solothurn. Er macht den klassischen Weg von der Schule in die Lehre und versteht sich blendend mit seinen deutlich älteren Kollegen. Zusammen mit dem Dritten im Bund, Dominique Zimmermann, sind sie nun die Lernenden im ersten Lehrjahr, gehen zusammen in die Berufsschule und in die überbetrieblichen Kurse im Berufsbildungszentrum in Kallnach und oft auch zusammen auf die Arbeit. Dazu teilt man sich jeweils am Morgen bei Arbeitsbeginn in Zweier oder Dreierteams ein. Allerdings besteht die Arbeit im ersten Lehrjahr noch häufig aus Zuschauen und Hilfsarbeiten. Denn gerade bei den grossen Stromstärken, mit denen die Netzelektriker arbeiten, ist eine genaue und sorgfältige Einführung in den Umgang mit der unsichtbaren Gefahr des Starkstroms lebenswichtig.

Für Daniel Galli, der auch an der Berufsschule in Bern die Netzelektriker des zweiten Lehrjahrs in Elektrotechnik unterrichtet, sind die beiden Quereinsteiger ein Segen. «Man muss ihnen nicht mehr sagen, dass sie nicht für den Lehrer lernen. Sie sind motiviert und haben klare Ziele», sagt er. Allerdings sind auch die Ansprüche an den Lehrbetrieb andere als bei einem Schulabgänger. Dominik Hasler hat zwei Kinder, zwei- und fünfjährig, und musste dementsprechend mit seiner Frau genau besprechen und ausrechnen, wie das denn nun funktionieren soll mit seiner neuen Ausbildung. Schliesslich hat er mit der Regio Energie Solothurn eine Vereinbarung gefunden, die er als «ausgesprochen fair» empfindet und die ihm und seiner Familie genügend finanziellen Raum lässt. Am Ende der Ausbildung wird er dann wieder mindestens so viel verdienen wie in seinem früheren Job.

Dominik Hasler und auch die Regio Energie Solothurn gehen davon aus, dass er nach der Ausbildung im Betrieb bleibt. Auch das ist ein Vorteil der Quereinsteiger. Wer mit 20 die Lehre abschliesst, muss oft erst noch in den Militär- oder Zivildienst, will dann vielleicht noch etwas von der Welt sehen und ist vielleicht gar nicht so erpicht darauf, in den Lehrbetrieb zurückzukehren. Dagegen haben Eltern mit Kindern eine schon deutlich weiter gediehene Lebensplanung und schätzen für die kommenden Jahre eine stabile Situation.

Gekommen, um zu bleiben

Auch der 35-jährige Dominique Zimmermann, der zweite Quereinsteiger, ist zufrieden mit seiner Entscheidung. Er hat ursprünglich eine Detailhandelslehre gemacht und arbeitete dann lange als Schichtleiter bei einer Security-Firma, war aber auch schon auf dem Bau und wusste deshalb, was auf ihn zukommt. Er mag das gute Team bei der Regio Energie Solothurn und die Arbeit draussen. Dominique Zimmermann hat zwar im Gegensatz zu Dominik Hasler keine Kinder, doch hat auch er sein Leben für die Ausbildung umgekrempelt. Er und seine Partnerin sind von Basel nach Solothurn umgezogen, und auch sie hat nun in Solothurn eine neue Stelle gefunden. Obwohl er nun während der Ausbildung etwas weniger verdient als vorher, sagt er: «Das ist eine Win-win-Situation. Die Regio Energie Solothurn ist ein Top-Arbeitgeber, und ich habe eine langfristige Perspektive und kann gleichzeitig mithelfen, ihre Personalengpässe zu lindern.» Das Konzept mit den Quereinsteigern scheint für die Regio Energie Solothurn aufzugehen. Die lange verwaisten Stellen konnten besetzt werden, zwar nicht mit ausgewiesenen Netzelektrikern, aber mit Persönlichkeiten, die es mit grossem Engagement werden wollen. Die Arbeit macht ihnen Spass, ist abwechslungsreich und am Puls der Zeit. Die Zukunftsaussichten als Netzelektriker sind mehr als rosig und die Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sehr gross. «Und am Abend ist man ehrlich müde. Wir wissen immer, was wir gemacht haben», sagen sie.

Text: Andreas Schwander

Bilder: Michel Lüthi, bilderwerft.ch