Hobeln, schleifen, bohren fürs kleine Wohn-Wunder

Das Tiny House in Bellach wird real.

Ende Juni; es wird geschraubt und geschliffen bei «Aeschbacher Produktionen» in Biberist. Hier nimmt das kleine Wohntürmchen, das künftig auf den Fundamenten einer ehemaligen Druckreduzierstation in Bellach stehen soll, unverkennbar Gestalt an. Rohre der Elektroinstallation spriessen aus den Wänden, Öffnungen für Kamin und Frischluft für den automatischen Pelletofen sind am richtigen Ort, Wasser- und Abwasserrohre werden vormontiert. Auch in kleinen Häusern wohnt zwischen Innenverkleidung und Fassade jede Menge Technik, ohne die nichts funktioniert. Die Küche kuschelt sich unter die Treppe, und in alle Treppenstufen sind Schubladen eingelassen, auch in die alleruntersten. Jede noch so kleine Nische wird genutzt.

Holz ist knapp und teuer
Die Räume sind klein und doch geräumig. Die drei Module warten nebeneinander auf ihre Montage. «Wenn wir das zusammenbauen, wird das Transport- unternehmen die Module hier am frühen Morgen mit dem Kran aufladen und dann am Nachmittag in Bellach vorsichtig aufeinanderstapeln. Nach einem Arbeitstag müsste das Haus dann stehen», erklärt Architekt Johannes Iff. Aber Bauen wäre nicht Bauen, wenn es keine Schwierigkeiten gäbe. Nicht alle Lieferanten können die Termine einhalten; wie immer sind Aufwand und Kosten halt doch etwas höher als vorausgesehen, und ein völlig unvorhersehbares Problem macht dem Projekt zu schaffen: Bauholz ist teuer geworden – aber nicht nur das. Holz ist grundsätzlich kaum verfügbar. 

Philip Aeschbacher und Johannes Iff müssen sich ins Zeug legen, um überhaupt geeignetes Holz bei den Händlern aufzutreiben. Aber auch das Holzfasermaterial für die Dämmplatten war nicht immer verfügbar, und das muss eingebaut sein, bevor etwas anderes obendrauf kommt. Dafür war der Baumeister pünktlich fertig und hat die Fundamente des Gashäuschens so ergänzt, dass das Haus inklusive der Terrasse davor sicher daraufstehen können.

Das «Stöckli» hat Zukunft
Noch bevor das erste Haus fertig ist, denken Johannes Iff und Philip Aeschbacher weiter. Sie haben die minim2 GmbH gegründet, mit der sie ihre Tiny Houses bekannter machen wollen. «Das Interesse wächst», sagt Johannes Iff. «In Bellach ist es ein schwieriges Grundstück, das anders kaum zu nutzen ist, und solche gibt es viele. Ähnlich viel Potenzial hat die alte Idee des Stöcklis.» Mit dem Stöckli meint er die kleinen Häuschen auf den grossen Bauernhöfen des Mittellandes, in die alternde Bauernpaare einzogen, nachdem sie den Hof einem der Söhne übergeben hatten. «Es gibt viele Einfamilienhäuser mit grossen Gärten und freier Ausnutzungsziffer. Hier könnten viele Senioren eine kleine, freistehende, barrierefreie Alterswohnung bauen, in ihrer alten Umgebung bleiben und sich trotzdem eine gewisse Privatsphäre erhalten», sagt er. Für ein solches Tiny Stöckli würden dann einfach zwei oder allenfalls drei Module nebeneinandergestellt. Denn eine breite Toilettentür, ein Schlafzimmer im Parterre und Verwandte in unmittelbarer Nähe haben schon manchem Senior und mancher Seniorin das Altersheim erspart. Doch nun kommt erst einmal die Feineinstellung mit dem Prototyp. Sobald er fertig ist, müssen Architekten, Zimmermann und Bauherrschaft zusammen dokumentieren, welche Dinge funktionieren und welche nicht. Wie ist die Funktionalität der Küche? Wie schnell heizt es sich mit dem Pelletofen? Wie verteilt sich die Wärme im Haus? Wo gibt es noch etwas zu optimieren, und findet sich vielleicht noch irgendwo eine ungenutzte Nische? Dann kommt eine weitere Optimierungsrunde, und die minim2 GmbH wäre bereit für die Serienproduktion von kleinen Wohnmodulen – egal, ob sie auf schwierigen Grundstücken übereinandergestapelt oder nebeneinandergestellt werden.

Text: Andreas Schwander
Fotos: minim2 GmbH (i.G.) / Simon von Gunten