Etwas mehr Wärme
im Zälgli

Eine neue Heizung und ein neuer Geist im Zälgli in Bätterkinden

«Wer sich nicht mehr gegrüsst hat, tut es auf einmal wieder.»

Der Nebel hängt noch zwischen den Häusern. Auf dem Parkplatz entladen die Handwerker ihre Lieferwagen. Kein Wind weht. Eine Mutter zupft ihrem Kind die Warnweste zurecht und mahnt zur Eile, sie kämen sonst wieder zu spät zur Schule. 

Alfred Späti läuft vorüber, grüsst freundlich und biegt rechts ab. Vorbei am Basketballkorb und dem Spielplatz und raus auf die Quartierstrasse.  «Hallo Fredy!» Ein Rentnerpaar grüsst. Dann hält er vor einem grauen Gebäude an. Alfred Späti ist da.

Der rote Hebel und der Hammer 

Das Betongebäude, aus dem ein matt-metallener Kamin ragt, ist die Heizzentrale der Siedlung Zälgli in Bätterkinden. Und Alfred Späti, selber ein Hausbesitzer, mitverantwortlich dafür, dass die Heizzentrale heute steht. 

Drinnen ist noch alles still. 

Der grosse Brenner heizt noch nicht, der rote Hebel neben der Tür steht noch senkrecht; noch ist die Leitung zu. «Wenn der umgelegt wird, heizen wir mit Gas», sagt Späti. Alle gemeinsam, die ganze Siedlung aus derselben Quelle. Es war ein langer Weg, der das Zälgli zu seinem  Wärmeverbund geführt hat. Am Anfang stand eine Eigentümerversammlung. Die Besitzer der  Genossenschaftlich organisierten Einfamilienhaussiedlung waren eingeladen. Alle 67 Parteien, wie jedes Jahr.

Schon wieder hatte jemand Probleme mit der Heizung; die Defekte häuften sich.

Jedes Haus hatte damals seine eigene zentrale Elektrospeicherheizung – Stand der Technik 1979, als das Zälgli gebaut wurde. «Doch dann», sagt Alfred Späti, «dann kam der Hammer.» Die Elektrospeicherheizungen im Kanton Bern sollten verschwinden. Alle, spätestens 2032. Ein Regierungsbeschluss, der die stromintensiven Heizungen verbannen sollte.

Klarer Fall

«Von diesem Zeitpunkt an war uns klar: Wir brauchen neue Heizungen und neue Boiler»,

erinnert sich Späti, «und zwar alle im Zälgli.» Das war im Jahr 2014, und Alfred Späti begann, sich zum Energieexperten zu entwickeln. Eine Arbeitsgruppe wurde gebildet, Späti trat ihr bei und wurde zugleich Mitglied im Vorstand der Genossenschaft. Er, als Informatiker, ist zwar durchaus technisch versiert und war doch mit einer ganz neuen Aufgabe konfrontiert. 

«Ich war in Heizungsfragen ein ‹Nobody›.» 

Die Arbeitsgruppe machte Vorprüfungen und liess schliesslich Experten kommen, um sich Vorschläge für eine Heizungsanlage unterbreiten zu lassen. Die Regio Energie Solothurn kam in die engere Wahl und setzte sich durch. Bald wurde klar, dass ein Warmwasserwärmeverbund die beste Lösung für das Zälgli und Gas die geeignete Energiequelle sei. «Wir hatten alles auf dem Tisch: Erdsonden, Holzheizungen, Luft-Wärmepumpen». Doch als beim Planstudium herauskam, dass vor dem Zälgli eine Gasleitung verläuft, war der Fall klar. 

Die überzeugende Lösung

Doch die wichtigste Aufgabe für Alfred Späti begann erst: Zusammen mit Patric Wyss und Rudolf Steiner – mit Späti das Kernteam – musste er den Wärmeverbund bewerben. Sie brauchten Einstimmigkeit. Zunächst für das Durchleitungsrecht, denn für den Verbund mussten Rohre von der Heizzentrale aus durch alle Häuser gelegt werden. 

Ein Warmwasserwärmering unter dem Zälgli. Oder keiner, falls ein Haus nicht mitmacht. Dann die Abparzellierung, denn die Wärmestation sollte an einer Ecke im Erdboden unter dem Spielplatz zu stehen kommen – Land, das allen in der Einfamilienhausgenossenschaft anteilig gehört. Beide Male stimmten alle zu. «Es gab einige Ängste, die wir abholen mussten», meint er.

Bewohner der ersten Stunde waren mittlerweile pensioniert und hatten Bedenken, noch grosse Investitionen zu tätigen. Doch ihnen konnte Spätis Team eine Lösung liefern: Contracting. Die Zälgli-Bewohner zahlen zukünftig nur noch ihre Heizenergie, abhängig von einem frei wählbaren Investitionsbetrag. Das überzeugte schlussendlich. 

Auch weil Alfred Späti und seine Mitstreiter instinktiv das Richtige taten: «Wir sind nie zu einem Haus gegangen und haben geklingelt, um jemanden einzeln zu überzeugen.» Sie hätten immer alle gleichzeitig informiert und vor allem argumentiert. Nur so, waren sie überzeugt, kämen sie zum Ziel. Und sie haben es erreicht: ein Wärmeverbund für das Zälgli. Einstimmig.

Alle zusammen und doch jeder frei 

Das ganze Bauprojekt habe das Quartier zusammengeschweisst, für Projektleiter Späti der wichtigste Nebeneffekt. «Wer sich früher nicht mehr gegrüsst hat, grüsst sich auf einmal wieder.» Ein Wärmeverbund, ein Nachbarsbund. Nie hätte Alfred Späti sich das träumen lassen. «Als meine Frau und ich einzogen, interessierten wir uns nicht für die Heizung.» Doch mit der Zeit sei die Erfahrung gekommen, dass eben nichts ewig halte. Man manchmal einen Effort leisten muss. 

«Ich wollte das richtig machen. Es ging ja auch um mein Haus.» 

Sie hätten wirklich die beste Lösung für das Zälgli gefunden, findet Alfred Späti. Jeder könne frei entscheiden, welches Finanzierungsmodell er wähle. Und mit dem Contracting sei der Energiepreis pro Haus noch günstiger, als es der Strompreis für die Elektrospeicherheizungen und die Boiler zuletzt war. Wer wolle, könne sogar hundert Prozent Biogas bestellen und komplett erneuerbare Heizenergie. Ein Verbund mit Freiheiten und vor allem: mit Zukunftssicherheit. Der Schlittelhang und der Schlüssel Alfred Späti geht zurück, vorbei am Spielplatz, auf der Wiese der Tauglanz. 

«Da hinten werden wir Pétanque spielen.» 

Er zeigt auf das Kiesdach der Heizzentrale. Erste Turnieranmeldungen habe es schon gegeben. «Und da, gleich daneben», er weist auf einen Hügel, auf dem junge Sträucher stehen, «dort können die Kinder im Winter schlitteln.» Der Hügel sei durch einen Teil des Aushubs entstanden, der für die Heizzentrale bewegt wurde. «Die Idee fand nicht jeder gut.» Aber er habe geholfen, die Leute zu überzeugen.

Bunt durchmischt

Das Zälgli ist heute bunt durchmischt. Die ersten der ursprünglichen Anwohner  sind verstorben oder ausgezogen, junge Familien hinzugekommen. Alfred Spätis Kinder sind ausgezogen, er selber ist zweifacher Grossvater. «Wer weiss, vielleicht ziehen meine Enkelkinder ja einmal hierhin», meint er. 

«Schön wäre es.» Aber bis dahin sei ja noch viel Zeit. als Erstes kommt für Späti die Pensionierung; in drei Jahren ist es so weit. Alfred Späti blickt über den Innenhof. «Ich weiss gar nicht, wo ich jetzt stehe.» Nach fünf Jahren im Einsatz für die neue Heizung, dem Umschiffen aller Probleme könne jetzt doch nicht einfach alles vorbei sein. 

Wenn in der Zentrale der grosse rote Hebel umgelegt wird, wird er in den Ferien sein. Und wenn er zurückkommt? «Dann habe ich hoffentlich eine warme Wohnung», scherzt er und dreht in seiner Hand einen Schlüsselbund. Einer davon passt in die Tür der Heizzentrale. Neulich hat sich Alfred Späti die App für die Fernsteuerung heruntergeladen. Und er wird Betriebswart der Heizzentrale. Eine neue Aufgabe im Zälgli. 

Paul Drzimalla