«LNG spielt eine wichtige Rolle»

Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stellt sich die Frage, ob die Gasversorgungssicherheit in der Schweiz gewährleistet ist. Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie (VSG), berichtet über die aktuelle Situation.

Daniela Decurtins, wie abhängig ist die Schweiz vom russischen Gas?

Die Schweiz beschafft das Gas primär auf den Märkten in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien und somit in Ländern der EU. Die Schweizer Gaswirtschaft hat keine direkten Lieferbeziehungen zu Russland. Der Anteil des russischen Gases ist auf den Märkten jener Länder, in denen die Schweiz das Gas kauft, unterschiedlich hoch. Die europäischen Länder und die EU arbeiten mit Hochdruck daran, Abhängigkeiten von russischem Gas zu reduzieren und die Bezugsmöglichkeiten breiter abzustützen. Dabei spielt Flüssigerdgas (LNG) eine wichtige Rolle. Auf diese Weise kann Gas aus den unterschiedlichsten Weltregionen beschafft werden.

Welche Folgen hat es für die Schweiz, wenn wichtige Gasleitungen in Osteuropa ausfallen?

Die Schweiz ist aufgrund ihrer Lage sehr gut ins europäische Gasfernleitungsnetz eingebunden, was unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit grundsätzlich eine gute Ausgangslage ist. Die Schweiz verfügt auf der Transitgasleitung seit 2017 über Reverse-Flow.  Das heisst, Gas kann nicht nur von Norden nach Süden, sondern auch in umgekehrter Richtung fliessen. Auch von Westen her ist die Schweiz gut eingebunden. Im Weiteren haben alle diese Märkte Zugang zu LNG.

Der Bundesrat hat im März 2022 Massnahmen für die Gasversorgungssicherheit beschlossen. Was bedeutet dies für die Gaswirtschaft?

Die grosse Herausforderung ist, die Versorgung für den Winter 2022/23 sicherzustellen. Die Arbeiten der Gaswirtschaft in Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden laufen intensiv. Vor denselben Herausforderungen stehen auch andere Staaten Europas, zumal dort der Gasbedarf sehr viel grösser ist.

Gibt es in der Schweiz Gasspeicher?

Ja, wir haben Gasspeicher, diese sind aber klein und dienen dem  Tagesausgleich. Es gab immer wieder Projekte für grosse Gasspeicher,  allerdings ist es technisch sehr anspruchsvoll und auch teuer, solche in  der Schweiz zu bauen. Aktuell verfolgt Gaznat in Oberwald im Kanton Wallis ein entsprechendes Projekt. Dabei soll festgestellt werden, ob hier unter den Alpen ein Gasreservoir gebaut werden kann. Vier Kavernen sollen es ermöglichen, rund 1500 Gigawattstunden zu lagern.

Was ist von jenen Stimmen zu halten, die den Krieg in der Ukraine nun als Anlass nehmen, um den Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigen zu wollen?

Die Schweizer Gaswirtschaft unterstützt das Netto-null-Ziel des Bundesrates und arbeitet aktiv darauf hin. Dabei wird Erdgas sukzessive durch erneuerbare Gase wie Biogas, synthetisches Methan und Wasserstoff ersetzt. Selbstverständlich geht das nicht von heute auf morgen, sondern benötigt Zeit und auch entsprechende Rahmenbedingungen, die heute noch unzureichend sind. Wir gehen davon aus, dass diese Stimmen nun auch den Prozess hin zu klimaneutralen Gasen entsprechend unterstützen.

Daniela Decurtins

Seit 2012 ist sie Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie (VSG). Der VSG vertritt national und international die branchen- und energiepolitischen Interessen der Schweizer Gaswirtschaft. Im 1920 gegründeten Verband sind rund 90 Gasversorgungsunternehmen zusammengeschlossen.

Interview: VSG/Barbara Graber

Bilder: zVg VSG