Strom gibt Gas bei STORE&GO

Die Energiewende kann sich nicht nur um Strom drehen. Sie wird nur funktionieren,wenn alle Versorgungsnetze,nebst dem Stromnetz auch jene für Gas und Fernwärme,miteinander verbunden sind und im gegenseitigen Austausch stehen.Diese sogenannte Netzkonvergenz ist entscheidend.Das Projekt STORE&GO erforscht an drei Standorten in Europa,wie das in industriellem Massstab funktionieren könnte.

Andrew Lochbrunner ist Projektleiter für die Anlage in Zuchwil. Diese besteht aus Tanks, Pumpen, Wärmetauschern und einem hohen, verrohrten Turm. Sie ist Teil des EU Programms «Horizon 2020», an dem insgesamt 27 Länder beteiligt sind. Mit STORE&GO soll in drei Experimentalanlagen die zweckmässigste Methode gefunden werden, um überschüssigen Strom im Gasnetz zu speichern. Die anderen beiden Anlagen stehen in Troia, Italien, und Falkenhagen, Ostdeutschland. Denn bei einem weiteren Ausbau der Stromproduktion mittels Photovoltaik wird man im Sommer immer zu viel Energie haben, die im Winter fehlt. Hier kann das Gasnetz eine wichtige Speicherfunktion einnehmen und überschüssige Sommerenergie speichern und im Winter verfügbar machen.

In Zuchwil steht die gläserne Werkstatt der Regio Energie

Der Standort Zuchwil ist deshalb eine Art gläserne Werkstatt der Regio Energie Solothurn. Hier steht auch das Hybridwerk, das mit zwei Elektrolyseuren aus Strom Wasserstoff herstellen kann. Ein 1250-kW-Gasmotor erzeugt damit Strom und Wärme und speist die Energie in die jeweiligen Netze ein. Das Hybridwerk kann sowohl sehr schnell Strom produzieren wie auch sehr schnell Strom verbrauchen, je nachdem, wie der Wind gerade bläst oder ob sich eine grosse Wolke vor die Sonne schiebt. Solche Systeme, die fürs Stromnetz sogenannte Regelenergie bereitstellen können, werden immer wichtiger, je mehr Wind- und Solaranlagen in Betrieb gehen.

Das Hybridwerk kann Wasserstoff herstellen, der zwar auch ins Erdgasnetz eingespeist werden kann, aber nur in begrenzten Mengen. Die Anlage des Projekts STORE&GO macht nun aus dem Wasserstoff des Elektrolyseurs und dem überflüssigen Kohlendioxid aus der nahen Abwasserreinigungsanlage Methan, das chemisch dem Erdgas entspricht. Reines Methan kann in beliebigen Mengen ins Gasnetz eingespeist werden. Das Gas wird dann wiederum zum Kochen, Heizen, Betanken von Erdgasfahrzeugen oder zur Produktion von Strom gebraucht. Diese sinnvolle Umwandlung von Überschussstrom in langfristig speicherbares Gas deckt sich mit den Zielen der Schweizer Gasindustrie, die bis zum Jahr 2030 den Anteil von erneuerbarem Gas im Wärmemarkt auf 30 Prozent steigern will. Dafür braucht es sowohl Biogas- wie auch Power-to-Gas-Anlagen wie jene in Zuchwil.

Ur-Lebewesen verbinden Wasserstoff und CO2 zu Methan

Doch damit aus Kohlendioxid und Wasserstoff Methan wird, müssen die beiden Gase erst in jenem Turm mit den vielen Rohren zusammengeführt werden. Er ist gefüllt mit sogenannten Archaeen. Das sind Kleinstlebewesen, die früher Urbakterien genannt wurden, sich aber deutlich von Bakterien unterscheiden. In Archaeen werden die Urbausteine des Lebens auf der Erde vermutet. Sie können unter extremen Bedingungen leben und gedeihen, etwa bei Temperaturen von bis zu 110 Grad Celsius oder auch in sehr saurer oder sehr basischer Umgebung. In Zuchwil sind sie für die Gasumwandlung zuständig. Die Kunst beim Betrieb der Anlage wird es nun sein, den Archaeen ein möglichst ideales Umfeld zu bieten, damit der Methananteil im Gas mindestens 50 Prozent erreicht, idealerweise aber 96 Prozent. Dann kann alles Gas direkt und ohne Einschränkungen ins Gasnetz eingespeist werden.

Das Ziel sind grosse, wirtschaftliche Anlagen

Ziel der Anlage ist es nun nicht, möglichst viel Gas zu produzieren. Dafür ist sie ohnehin zu klein. Die maximale Produktionsmenge beträgt lediglich 30 Normkubikmeter Gas pro Stunde. Sie soll die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen schaffen, damit später mit möglichst kleinem technischem und finanziellem Risiko grosse Anlagen gebaut werden können, die Gas-, Wärme- und Stromnetze eng miteinander verbinden. Zudem soll der Betrieb der Anlage unter realen Bedingungen untersucht und die Investitions- und Betriebskosten sowie der Wirkungsgrad der Anlage bestimmt werden. Wichtig ist ausserdem, den CO2- Fussabdruck zur Errichtung der Anlage zu bestimmen. Ihr wichtigstes Produkt ist deshalb nicht ein konstanter Strom von Gas, sondern ein konstanter Strom von Zahlen, mit dessen Hilfe später viel grössere Anlagen gebaut werden können.

Text: Andreas Schwander